Am Anfang war alles gut. Du und ich auf Augenhöhe und nebeneinander auf deiner täglichen Runde durch einen duftenden Kiefernwald. Jetzt rennst du vor mir her – und schneller bergauf, als es mit mir bergab geht. Lass uns zusammen joggen gehen, hattest du gesagt. Du: doppelt so schnell wie ich. Ich: doppelt so schwer wie du. Nun ziehe ich meine Beine hinter mir her wie zwei Sack Kartoffeln.
Früher war alles besser
Kämpfen, ich muss kämpfen! Habe Blut geleckt. Und schmecke es in meinem Mund. Diese metallische Note auf der Zunge zwischen knirschenden Zähnen. Hämoglobin! Der eisenhaltige Proteinkomplex der roten Blutkörperchen, die sich gerade in meinem Rachen ausdehnen wie ein Schokokuss in der Mikrowelle. Scho-ko-lade!
Das letzte Mal, als ich dir hinterhergeschaut habe, hast du mir in deinem rückenfreien Abendkleid den Atem geraubt. Jetzt in einer Trainingsjacke und mit wippendem Pferdeschwanz. Berührst beim Laufen kaum den Boden, ich kriege meine Füße nicht mehr hoch, pfeife aus dem letzten Loch. Würde lieber in einem verschwinden, ins Bodenlose abtauchen.
Früher, früher wäre das aber mal anders gewesen. Ganz bestimmt. Früher habe ich im Gym Gewichte gestemmt wie ein Gabelstapler, bin Felsen hochgeklettert und Hindernisläufe gerannt. Jetzt bin ich wohl selbst zu einem Hindernis geworden. Für dich.
Wenn die Frau davonläuft
Fürs Protokoll: Es stört mich nicht, dass eine Frau mehr Kondition hat als ich. Aber muss es unbedingt meine eigene sein? Neben dir möchte ich immer gut dastehen. Oder eben laufen, liegen, fliegen. Aber jetzt hängt mir nur die Zunge raus wie die Wasserrutsche nach einer Notlandung. „Soll ich langsamer?“, fragst du. Niemals!
Drei, vier, fünf Schritte, dann schlägt der Blitz ein. Krampfartige Schmerzen sind das im Oberbauch. Seitenstiche links auf Höhe der Milz, Seitenstiche rechts im Bereich der Leber. Die Arme schwerer als mein Röcheln, aber irgendwie bekomme ich sie hochgerissen, wuchte ich sie über meinen wummernden Kopf, wie bei einem Banküberfall.
Lauf du nur, lauf und schau nicht zurück. Ich halte an und krümme mich, stütze die Arme auf meine brennenden Oberschenkel, blicke zu Boden auf matschige Schuhe. Im nächsten Moment spüre ich deine Hand auf meiner Schulter. „Ah“, sage ich. „Du bist. Doch. Zurückgekommen.“ – „Nein“, antwortest du. „Ich hab dich überrundet.“
BJÖRN KRAUSE hat Angst davor, dass seine Frau ihm davonläuft. Mit der Sorge steht er nicht allein da.